Baustelle

Was macht ein 50-jähriger englischsprachiger Dichter von Weltrang in einem verschlafenen niederösterreichischen Nest namens Kirchstetten? Sesshaft werden – was sonst? Im Oktober 1958 steht Wystan Hugh Auden (1907-1973) vor einem Landhaus mit der Adresse „Hinterholz 6“, Freudentränen sammeln sich in den Augenwinkeln, er hat ein Zuhause gefunden. Bis zu seinem Tod wird er hier seine Sommer verbringen, Seite an Seite mit seinem Lebensgefährten Chester Kallman, regelmäßig besucht von seinem bezahlten Liebhaber Hugerl aus Wien. Wäre er nicht Poesie-Professor an der Uni Oxford, wie würden sich die Leute das Maul zerreißen … 

2023 befindet sich die Dichterin und Performerin Natascha Gangl auf willhaben.at-Recherche: Ein Haus soll es werden, möglichst abgelegen, ein Schreib-Asyl. Wer wäre ein besserer Wegbegleiter als der schrullige Auden, der sich in seiner Mischung aus britischer Exzentrik und Sehnsucht nach Spießigkeit ein Refugium am Waldrand eingerichtet hat? In dem Text „Unsere Baustelle!“ nimmt Natascha Gangl Audens Fährte auf und über-schreibt seine Häuslichkeit, die er in dem Zyklus „Thanksgiving for a Habitat“ (1964) poetisch ausbreitete. 

Den passenden Baustellen-Soundtrack liefert das Ensemble „3 knaben schwarz“: Das Trio nimmt Gangls von Auden inspirierte Sprachbastlereien als Impuls für Klang- und Geräuschbricolagen, in dem die Tiefen und Untiefen der profanen Herbergssuche widerhallen.

Zwei live-Hörbeispiele aus der Uraufführung beim Auden-Festival auf Schloss Totzenbach am 30.9.2023: